Konzertbericht: Dandy Warhols, Poolbar-Festival Feldkirch, 16. Juli 2014
Woran merkt man als Musikfan, dass man älter wird? Zum Beispiel daran, dass man sich immer öfter dabei ertappt, wie man mäßig interessante Konzertanekdoten aus grauer Vorzeit zum Besten gibt, die in der Regel folgendermaßen beginnen: „Als ich die Band X beim Festival Y im Jahr Z gesehen habe …“.
Also, liebe Kinder, das war so: Als ich die Dandy Warhols im Jahre 2003 bei Rock am Ring gesehen habe, waren sie gerade am Höhepunkt ihrer Popularität. Leider kann ich mich nur noch an exakt drei unzusammenhängende Einzelheiten erinnern: 1.) Ich habe nur die letzten paar Minuten des Konzerts erlebt – und mich darüber ziemlich geärgert (weil die Band einen super Eindruck machte). 2.) Die Dandys hatten damals einen – oder mehrere (?) – fetzige Bläser auf der Bühne. 3.) Die Frisur von Sänger Courtney Taylor-Taylor (ich glaube eine Art Irokesenschnitt) war durch und durch furchtbar.
Jetzt, über zehn Jahre später (f… – ZEHN Jahre!), bot sich endlich die Möglichkeit, das Versäumte nachzuholen – noch dazu in der wunderbaren Poolbar zu Feldkirch. Doch im Vorfeld stellte sich eine bange Frage: Bringen’s die Dandy Warhols überhaupt noch? Schließlich hatten sie seit Jahren keine nennenswerten Hits mehr (na gut, das ist vielleicht keine Kategorie ;-)), von ihren letzten zwei, drei, vier Alben hat man hierzulande nicht einen Ton mitbekommen, im Grunde waren und sind sie ziemlich vom Radar.
Ich war also gespannt: Würden sie die Jahrtausendwende-Nostalgieschiene fahren und nur ein vorhersehbares Greatest-Hits-Programm servieren? Oder würden sie ihr Publikum, im Gegenteil, mit viel zu vielen Nummern von ihren letzten Alben quälen, wo die meisten doch nur auf die großen Hits warten? Um es gleich vorwegzunehmen: Beide sorgenvollen Annahmen wurden in der bestens gefüllten, leicht saunaartigen Poolbar widerlegt.
Denn die Dandys spielten eine bestens ausbalancierte Mischung aus bekannten, weniger bekannten und gänzlich unbekannten Nummern. Von ihrer durchaus ansehnlichen Zahl an (Alternative-)Hits waren fast alle zu hören (vielleicht mit Ausnahme von „Everyday Should Be A Holiday“ oder „Smoke It“), so zum Beispiel „We Used To Be Friends“ (gleich am Anfang), „Not If You Were The Last Junkie on Earth“ (mit dem legendären Refrain: „Heroin is so passé“), das wunderschöne „You Were The Last High“ (auf Platte mit Evan Dando von den Lemonheads eingesungen), das mitreißende „Get Off“ (eines der Highlights) und natürlich die zu Tode gespielte Hipster-Hymne „Bohemian Like You“ (die sich gar nicht so leicht zu Tode spielen lässt, weil sie trotz allem ein verdammt guter Popsong bleibt).
Daneben bot der Abend aber auch viel Futter für echte Dandys-Kenner (zu denen ich mich nicht unbedingt zählen würde) – vom halluzinierenden Opener „Be-In“ über die frühe Single „Ride“ bis hin zu Albumtracks wie „Solid“ oder „Everyone Is Totally Insane“. Das klang dann – und damit dürften viele im Publikum nicht gerechnet haben – oft schwer psychedelisch und phasenweise recht experimentell. Besonders das verstörende „I Love You“ wurde zu einer wild ausufernden, hypnotisierenden Improvisation ausgewalzt.
Dazwischen gaben die Dandy Warhols sogar Nummern zum Besten, die nicht einmal mein Kumpel Julian, ein ausgewiesener Dandys-Experte, kannte. Und diese Geheimtipps fand ich persönlich besonders reizvoll. Neuere Lieder wie das von wuchtigen Drums angetriebene „Sad Vacation“ oder das atmosphärische, fast schon countryeske „Well They’re Gone“ machten zum Beispiel recht gute Figur (bei letzterem Song bediente Keyboarderin Zia McCabe die Melodica, also ein komisches Keyboard samt Mundschlauch, während Gitarrist/Bassist Peter Holmström sein Instrument mit einem Geigenbogen traktierte).
Überzeugend auch das das völlig obskure, garagenrockige „Crack Cocaine Rager“ (auf der Setlist launig als „CCR“ abgekürzt), das bisher unveröffentlichte, aber vielversprechende „All The Girls in London“ oder „Horse Pills“ (mit herrlich teilnahmslosem Sprechgesang und lärmigem Refrain).
Die stilistische Vielfalt war überhaupt beachtlich: geradliniger Rock ‘n‘ Roll, dekadenter Glamrock, elektronische Einsprengsel und wilde psychedelische Klangwirbel („vor so einem Konzert sollte man was rauchen“, meinte mein Vorarlberger Spezi Franz*). Mit anderen Worten: Das Ganze klang durchaus frisch. Und psychedelische Sounds sind derzeit ja generell wieder en vogue (nachzuhören bei feinen jungen Bands wie Temples, Tame Impala, Django Django, Glass Animals etc.).
Nun kurz zum Optischen (ist in der Popkultur ja auch nicht ganz unwichtig): Die Dandy Warhols stammen aus der amerikanischen Hipster/Independent-Hochburg Portland, Oregon – und genau so sehen sie auch aus: Frontmann Courtney Taylor-Taylor (was für ein herrlich blöder Name!) hat inzwischen leichte Ähnlichkeit mit einer vom Leben gegerbten Indianersquaw samt Zöpfen, verströmt aber immer noch ausreichend Coolness. Hinzu kamen – ganz lehrbuchmäßig – ein Gitarrist mit Hipstermütze, ein Schlagzeuger mit Wuschelkopf und eine ultralässige Keyboarderin mit niedlichem Pferdeschwanz und Tattoos. Doch im Gegensatz zu allzu vielen Indie/Schmindie-Bands weiß man bei den Dandy Warhols, dass sich unter der oberflächlichen Coolness viel künstlerische Substanz verbirgt.
Keyboarderin Zia McCabe war es auch, die das Publikum nach der letzten Nummer „Boys Better“ mit experimentellen Elektroklängen nach Hause schickte. Sanfte Publikumseuphorie hatte sich zuvor allerdings doch am ehesten bei den von FM4 bekannten Hits eingestellt. Dass die Band am Ende keine einzige Zugabe (in Zahlen: 0!) spielte, dürften viele als Enttäuschung empfunden haben. Doch zum einen hatten die Dandys den Zugabenblock (mit „Bohemian …“, „Get Off“ und „Godless“) quasi schon ins reguläre Konzert vorgezogen. Und zum anderen zeigten sie eben auch mit dieser fragwürdigen Entscheidung, dass sie keineswegs zu einer reinen Greatest-Hits-Abspielmaschine mutiert sind.
Übrigens: Von der Vorband, den Dark Horses aus Brighton, hatten wir nur die letzten paar Minuten gehört – die allerdings gerieten überzeugend, mit dunklen, sphärischen Klängen zwischen Neo-Psychedelic und Wave und der ätherischen Stimme von Lisa Elle. Naja, vielleicht kann ich das Dark Horses-Konzert ja irgendwann einmal nachholen, in zehn Jahren oder so. Und falls dieser Blog dann noch existieren sollte, wird der Beitrag folgendermaßen beginnen: „Also, liebe Kinder, das war so: Als ich die Dark Horses im Jahre 2014 in der Poolbar gesehen habe …“
*Wirklicher Name dem Verfasser bekannt
ja schade und ich musste arbeiten 🙁 die hätten mich auch interessiert!
Vielleicht schaffst du’s ja im August noch in die Poolbar? Sonst halt naechstes Jahr … Auf jeden Fall nicht erst, wenn Deutschland wieder einen Titel holt, denn das wird lange nicht mehr passieren 😉